Tierschutzhund im neuen Zuhause

Leider kommt es sehr häufig vor, das die eigene Vorstellung einen Tierschutzhund zu adoptieren aus eigener Sicht „gut durchdacht“ ist.Oft sieht dann nach Ankunft der Hunde die Realität ganz anders aus als man es sich vorgestellt hat. Wir erwähnen bewusst, das es zumindest bisher bei uns zu 90% immer super klappt es aber diese gewissen Ausnahmen gibt.

Lasst ihn bitte ankommen.
– Na klar! Versteht sich doch von selbst.

Habt bitte für die erste Zeit keinerlei Erwartungen.
– Ja, das ist uns bewusst.

Geht bitte erst mal davon aus, dass es eine harte erste Zeit werden wird und es Kraft und Geduld in Anspruch nimmt, wenn der Hund neu bei euch ist.
– Ja, das ist kein Problem. Das haben wir so eingeplant.

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Nichts versteht sich von selbst. Auf einmal gibt es ganz viele Probleme und man ist sich doch gar nicht mehr so bewusst, was alles nicht gut laufen kann. Und schon wird es schwierig. Der Hund passe nicht so richtig. Man sei nicht der richtige Platz. Der Hund sei anders als beschrieben…

Manchmal fühlt man sich so, als ob man niemals vorab beraten und aufgeklärt hätte. Als ob sämtliche Informationen im Nirvana versickert sind.
Hund muss ab Tag 2 spätestens an der Leine laufen, sonst wird es schon schwierig.
Wenn Hund an Tag 4 immer noch in die Bude pinkelt, werden die Nerven dünn.
Wenn er in Woche 3 immer noch beim Autofahren den Mageninhalt von sich gibt, ist die Geduld am Ende.

Wie viel Zeit gesteht man ihnen ein? Ab wann muss es „rund laufen“? Manche Menschen scheinen da sehr genaue Vorstellungen zu haben und sind bitter enttäuscht und nervlich am Ende, wenn es eben ganz anders läuft als geplant.

Dabei wird es ab Woche 6, 7, 8 erst so richtig spannend. Futter gibt es jeden Tag, Sofa ist auch schon erobert, Territorium abgesteckt, Nachbarschaft ausgekundschaftet. Ausgeschlafen, satt, keine nervigen Milben mehr. Voller Kraft voraus.

Eine Direktadoption aus dem Ausland ist nichts für schwache Nerven. Nichts ist wirklich planbar. Es ist eine Wundertüte, ein Wagnis, eine Herausforderung. Viele Menschen machen das ganz wunderbar und sind in der ersten Zeit das für den Hund, was er braucht. Stütze, Ruhepol, Organisator.
Manche Menschen können sich aber ansatzweise nicht vorstellen, was da alles auf einen zurollen kann. Natürlich beraten wird. Natürlich klären wir auf. Natürlich stehen wir helfend zur Seite. Aber es reicht alles nicht aus. In manchen, ganz wenigen Fällen, ist es wirklich so, dass die Lage Zuhause nicht mehr tragbar ist. Dass es ganz und gar nicht passt. Aber diese Fälle sind selten. In den meisten Fällen wird vorschnell aufgegeben, vorschnell gesagt: Es geht nicht mehr. Es ist unbequem, anstrengend, nervig. Der Hund ist gerettet. Und ist eben nicht dankbar. Er führt sich auf wie die Axt im Walde, krempelt das Leben völlig um und eigentlich kostet es nur Nerven. So wie man es sich eigentlich nicht vorgestellt hat. Und der Mensch ist nicht gemacht, um sich durch schwierige Situationen durchzuboxen. Der Mensch ist bequem.

Diese eher bequeme Natur, die aber auf maximal schöne Momente im Leben ausgelegt ist, puscht dann das neue Hundeding in den ersten Tagen so sehr, dass gar nichts mehr geht. Kein Hund, der frisch angekommen ist und mit 2389281 Umweltreizen nun umgehen muss, die er vorher nicht mal ansatzweise kannte, wird nun gefördert und gefordert wie es nur geht.
Liebe Leute. Lasst die Hunde einfach in der ersten Woche in Ruhe. Sie sollen schlafen. Sie sollen ihre Zuhause und den Garten geführt inspizieren. Sie sollen die Menschen und ggf. Tiere kennenlernen, mit denen sie das neue Leben nun teilen. Ggf. können sie auch schon einen Tierarztbesuch wahrnehmen, aber mehr muss gar nicht sein. Vorher war monatelang nie mehr am Tag los. Zwinger. Hütte, Gekläffe. Mal eine Klopperei. Einmal am Tag Futter und Wasser. Fertig. Das wars. So sah es Wochen, Monate, Jahre bei vielen Hunden aus.

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Jetzt stellt euch doch einfach mal vor, wie dann so der neue Tag in Familie x für Rumäne y aussieht: Morgens erstes Gassi. Neue Runde, wird ja sonst langweilig. Mit Sicherheitsgeschirr an Leine. Hundemarken klimpern. Hund riecht nicht wie sonst, Shampoo beeinträchtigt die Nase. Beim Gassi trifft man Nachbarn, der neuen Hund anfasst. Neuer Hund findet Nachbarn blöd. Es geht nach Hause. Futter. Vor dem Füttern muss der Hund sitzen und warten. Kapiert er nicht. Wird wieder aus der Küche geschickt. Soll ja im Flur warten. Frustriert. Nach dem Füttern nochmal kurz raus in Garten. Eine Stunde später. Hund döst gerade im Wohnzimmer. Tochter bekommt Besuch. Kinder toben durchs Haus. Hund verfolgt Kinder. Findet die lauten Schreie besorgniserregend. Springt Besucherkind an. Dieses fällt hin. Vater nimmt Hund am Halsband, führt ihn ins Arbeitszimmer, wo er warten soll. Halsband nervt Hund schon seit Stunden. Auch stundenlanges Kratzen am Halsband bringt nichts. Halsband nervt weiter. Im Arbeitszimmer endlich Ruhe. Hund döst auf Schreibtischstuhl. Erhöhte Position ist wichtig, hat auch schon in Rumänien entspannt. 30 min später wird Hund abgeholt von Mutter. Große Runde steht an. In den Wald. Mit dem Auto. Wieder ins Geschirr. Marken nerven immer noch. Auto steht in Garage. Garage ist gruselig. Hund wird in Autobox gesetzt, da er nicht in einen dunklen Kofferraum springt, da er nicht weiß, was dort für Gefahren drohen könnten. Fahrt zum Wald. Hund ist schlecht. Box ist dunkel, er kann nicht nach draußen schauen. Ankunft im Wald. Zum Glück nicht gekotzt. Frauchen atmet auf. Schleppleine an Geschirr, Hund wird ausgeladen. Freilaufende Hunde direkt am Parkplatz. Hund wird penetrant gemustert und bedrängt. Frauchen unterhält sich angeregt. Es geht los in den Wald. 40 neue Gerüche auf 1qm. Hundenase völlig überfordert. Hund bleibt ständig stehen, Frauchen ist genervt. Jogger von hinten. Hund will folgen, Frauchen tritt auf Schleppleine… Endlich wieder nach 1.5 Stunden am Auto. Hund völlig aufgekratzt und nervös. Fahrt nach Hause. Garage immer noch gruselig. Hund muss abgeduscht werden, voller Matsch aus dem Wald. Hund in Badewanne. Kriegt Panik, alle sind nass. Hund rennt nass bis ins Wohnzimmer und springt auf Couch, wo Töchter Fernsehen schauen. Alle regen sich auf. Hund wird auf seinen Platz geschickt. Kriegt ein Schweineohr. Sowas hatte er noch nie. Begeisterung… Fernseher ist aus. Kinder sitzen beim Hund, schauen zu, wie er kaut. Tochter streichelt Hund. Hund knurrt leise. Tochter streichelt weiter. Hund knurrt lauter und droht. Tochter ist irritiert und verharrt kurzzeitig. Hund schnappt nach Hand der Tochter. Familie ist panisch bis besorgt. Abends Krisensitzung. Entschluss fiel schwer, ist aber gefasst. Hund passt nicht zur Familie und soll zeitnah vom Verein weitervermittelt werden.
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Ich weiß, dass es bei ganz vielen ganz ganz toll läuft, bitte versteht mich nicht falsch. Aber es ist noch zu viel im Argen. Zu viele Hunde sind unverstanden, überfordert…Von ihnen werden in so kurzer Zeit so viele Dinge verlangt, die utopisch sind! Kein Hund der Welt kann das schaffen, wenn sein Leben vorher eintönig, trist und leer war. So viel Input verkraftet keiner. So viel Neues schafft keiner, ohne irgendwann überzuschnappen.
Lasst sie die ersten Wochen einfach ganz in Ruhe ihre neue Welt entdecken. Lasst ihnen Zeit. Haltet viele Reize aktiv von ihnen weg…schützt sie und stabilisiert sie. Es ist unfair zu behaupten, dass der Hund sich „schlecht“ verhält, wenn er gar nicht anders kann.

Und horcht in euch rein. Wenn ihr nicht sicher seid, dass ihr die Nerven, die Zeit und die Kraft habt, alle eventuell anlaufenden Probleme zu wuppen, dann lernt doch einen Hund hier direkt im Tierheim kennen oder auf einer Pflegestelle… Ja, das erfüllt das „Retter-“ Herz nicht so sehr…wir wissen um diese Symptomatik. Aber bitte seid realistisch.

Autor:  Anna Fortuna Pro Dog Romania e.V.